Samstag, 30. März 2013

Tauschringtypologien, Teil 2: Von OrganisatorInnen und Orga-Teams

Durch das Bundes-ArbeitsTreffen Tauschsysteme (BATT) 2012, seine Vor- und Nachbereitung und die Vorarbeiten zum BATT 2013 bin ich auch wieder mit den organisatorischen Besonderheiten in Tauschsystemen konfrontiert worden.

:: Grundsätzliches vorweg
Eigentlich ist es nichts besonderes, nichts ungewöhnliches: in jeder Firma, jedem Verein oder Verband, in jeder kommunalen oder auch Bundeseinrichtung gibt es immer und überall etwas zu organisieren. Ob das der täglich wiederkehrende Arbeitsalltag ist, ob eine wöchentliche Jour fix ansteht, eine Tagung, eine Messe, ein Jubiläum, ein Konzert, ein Projekt - immer muss das ja irgendwie organisiert werden. Mal von einem Menschen allein, mal von kleinen, mal von großen Teams. Mal werden sie von Vorgesetzten einfach bestimmt, mal werden sie gewählt, mal werden sie auch "ausgeguckt". Meist finden sich Menschen, die gerne etwas vorbereiten, organisieren und planen. Meist haben sie auch ein Talent dafür. In der Regel entstehen so großartige Veranstaltungen. Als TeilnehmerIn nimmt man dann teil, genießt es in der Regel, weil alles gut funktioniert, weil man etwas lernen kann, interessante Menschen kennen lernt oder auch wunderbare ReferentInnen da sind.

:: Die Tauschsysteme
Auch die wollen irgendwie organisiert sein. In den stürmischen (Neu-)Gründerjahren 94-96 dachten sehr viele, da muss man nicht viel organisieren. Das regelt sich am besten von allein. Tauschsysteme wollten außerdem anders sein, also sollte es auch keine der üblichen, oft auch als typisch deutsch fast verachteten Institutionen wie Verein, Vorstand, oder gar Geschäftsführung, SprecherIn oder so, geben. Klare Strukturen oder Regeln wurden oft gar nicht erst geschaffen. Damit sollte vor allem Basisdemokratie befördert werden. Alle sollten alles verantworten, organisieren, "machen". Hirarchien oder gar Machtstrukturen sollten sich gar nicht erst etablieren.

:: Die OrganisatorInnen
Naturtalente, sie waren plötzlich alle da. Tauschsysteme waren anders, niedrigschwelliger Zugang, wer sich engagierte wurde gern und sofort auch mit umfangreichen Aufgaben betraut. Mit Elan und großer Kreativität gingen sie ans Werk. Örtliche Veranstaltungen, Markttage, Regional, Landes- und Bundestreffen, Pressearbeit, Marktzeitung und vieles mehr. Hier durften Mitte der Neunziger Jahre viele, die sonst ausgegrenzt waren, aktiv eine gesellschaftliche Bewegung mitgestalten. Es war einfach, und das war ja auch die Grundidee. Jede/r kann mitmachen. Arbeitslose, MigrantInnen, Menschen mit Behinderungen, sie alle konnten ihre Organisationstalente einbringen. Und die machten das für die Idee, für das Tauschsystem. Viele offenbarten oft schon nach wenigen Wochen erstaunliche Fähigkeiten. So kam es, wie es kommen musste. Viele dieser OrganisatorInnen wurden auf Grund ihrer Talente und Fähigkeiten von Unternehmen und Verbänden "entdeckt". Das war toll, denn fast alle waren vorher arbeitslos. Ihr Engagement brachte Ihnen einen bezahlten Job ein. Oft sogar gut bezahlt, aber gleichzeitig fehlte dann die Zeit, sich weiter im Tauschsystem zu engagieren. Und in der Zeit kamen sie...

:: Die Orga-Teams
In der Form und auch mit diesem Namen gibt es das wohl nur in Tauschsystemen. Allein der Name schon. Ich dachte des öfteren daran, ihn zum Unwort des Jahres vorzuschlagen. Aber was ist ein Orga-Team eigentlich? Teams, die etwas organisieren, die findet man natürlich überall. In Tauschsystemen sind sie aber was besonderes. Denn sie bestehen fast aussschließlich aus selbstberufenen Orga(nisations)-Spezialisten. Speziell zu erkennen allein schon daran, dass das Wort Organisation immer zu "Orga" verstümmelt wird. Eine merkwürdige Entwicklung, hier tummelte sich plötzlich alles, was sich zu Größerem berufen fühlte. Sich einbringen, ganz ohne große Regeln oder Wahlen, gleichberechtigt in einem Orga-Team. Herrlich, so einfach - und so ganz ohne echte Verantwortung. Dafür aber häufig mit viel Macht.
Bald schon tauchten sie auf, die ersten "Funksprüche": "Hallo Orga, hier Basis. Könnt ihr uns hören? Wir finden, dass ihr abgehoben wie in einem Raumschiff ohne Funkverbindung über unsere Köpfe weg entscheidet. Schaltet mal den Buschfunk ein und kommt zum Mitgliedertreff." So oder ähnlich geisterten vielerorts Kommentare, Nachrichten, Mails, ja sogar verzweifelte Hilferufe durch die Szene.
Was war geschehen - oder geschieht noch? Die Mitglieder solcher Teams sind nie gewählt worden. Sie waren immer sehr aktiv, böse Zungen sagten auch hyperaktiv. Sie wollten alles schnell und auf einmal, sie hatten keine Zeit für Diskussionen oder Abstimmungen. Sie fragten nicht lang, sie machten.
Machen kam hier aber leider viel zu oft von Macht. Diese berühmt-berüchtigten Orga's waren gefüllt mit Menschen, die in anderen Organisationen, in denen klare demokratische Regeln festgelegt waren, chancenlos. Aber im Tauschsystem war's einfach. Notfalls wurden in endlosen Diskussionen aus Regeln eben "Spielregeln". Und an Spielregeln hält man sich nur so lange, wie man Spaß dran hat und sie bestimmen kann. Kaum kommt der erste "Funkspruch", gingen einige beleidigt auf Tauschstation, andere warfen so hin, dass ein Schrebenhaufen übrig blieb, wieder andere brachen erst noch mal einen Riesenstreit vom Zaun, der manchmal sogar das Tauschsystem zerstörte.

Und wenn sie nicht gestorben sind... mit Erschrecken habe ich jetzt nach vier Jahren Pause festgestellt, dass diese beiden Typologien immer noch da sind. Leider auch immer noch zu viele Orga-Teams.

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