Sonntag, 30. August 2015

Europäisch-Griechischer Optimismus

oder: Können diese Zahlen lügen?
 
Es scheint nicht aktuell zu sein, in die Debatte über die Griechenlandhilfe ist Stille eingekehrt. Ich denke aber, das dies ein Trugschluss ist. Zum einen endet mit dem neuen Hilfspaket die griechische Mentalität im Bezug auf das Verhalten gegenüber ihren "Regierenden" und derem Verwaltungsapparat nicht. Aus Jahrhundertealter Tradition hat sich bis Heute erhalten, das man möglichst keine Steuern und Abgaben zahlt und gleichzeitig jede Drachme (oder Euro) annimmt, die von eben diesem Staat zu bekommen ist. Das ist in Jahrtausenden der Fremdherrschaft gewachsen.
Zum anderen dürfen wir auch nicht den wahnsinnig irrlichternden europäischen "Finanzexperten" Glauben schenken. Alle bisherigen Maßnahmen waren ja keine Hilfen, sondern Irrsinns-Kredite mit langen Laufzeiten und Zinsen. Jeder beteiligte Geldgeber hat schön daran verdient. Beispiel: die staatliche KfW in Frankfurt hat 2014 schlappe 240 Millionen an Zinsen eingestrichen. Ähnliche Beträge gingen an die EZB oder auch an französische Banken.
Eigentlich war spätestens das zweite "Hilfspaket" so etwas wie Beihilfe zur Konkursverschleppung. Denn Fakt ist, das die Hilfsgelder dazu genutzt werden müssen, um Schulden und Zinsen zu tilgen und nur maximal 5% bei der Bevölkerung ankommt, nachdem man ihr vorher bis zu 20% an Rente oder Gehalt gekürzt hat. Wer das nicht glaubt, sollte die nachfolgenden Zahlen einfach mal nachrechnen.
Am 20. August zahlte Griechenland seine Schulden in Höhe von 3,2 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank - direkt aus der ersten Rate des dritten Hilfspakets. Allein im August erhält Griechenland aus diesem Paket 26 Milliarden Euro, bis Jahresende fließen weitere 23,7 Milliarden nach Athen.
Der gesamte Finanzbedarf wird von der Bundesregierung mit 91,7 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre beziffert (Beschlussantrag des BMF, Anlage 5a).
Mit 54,1 Milliarden Euro davon werden nur Schulden bezahlt. 25 Milliarden Euro bekommen die griechischen Banken als sog. Rekapitalisierung. 7 Milliarden Euro brauchen die Griechen um aktuell offene Rechnungen zu bezahlen. Bleibe noch 7,6 Milliarden Euro als "Puffer", über diesen Betrag kann Athen relativ frei verfügen.
Mitgerechnet? Da reibt man sich die Augen, denn das macht insgesamt 93,7 Milliarden Euro. Wie das geht? Die zwei Milliarden mehr sollen als Primärüberschuß (also einem Haushaltsüberschuß) aus dem griechischen Haushalt vor Abzug des Schuldendienstes kommen.
Das es überhaupt einen Überschuß gibt, bezweifeln alle renommierte Ökonomen. Man beachte: 2018 soll Athen einen Überschuß von 3,5% erreichen. So einen hohen Wert erreicht derzeit kein einziges EU Land. Zum Vergleich: Deutschland schaffte 2014 2,4 Prozent.
Um den Finanzbedarf Griechenlands zu decken, wurde ein Kreditpaket von 85,5 Milliarden Euro vereinbart. Mit besonders gutem Willen erhoffte Privatisierungserlöse in Höhe von 6,2 Milliarden sollten dann Teil der Summe sein und so den Bedarf verringern. So steht das im Beschluß des Euro-Sondergipfels vom 12. Juli 2015. Einen Monat später ist das Gegenteil der Fall: Erlöse aus dem Verkauf von Staatseigentum helfen jetzt lediglich die vorgegebene Höchstsumme von 88 Milliarden einzuhalten.
Damit sind wir dann endgültig bei der dritten, differierenden Endsumme angekommen, denn: 88 Milliarden plus 6,2 Milliarden Euro sind ja 94,2 Milliarden.
Fazit: auch dieses Paket mit all seinen Schönrechnereien wird aus meiner Sicht scheitern. Auch wenn ich nicht besonders viel vom Internationalen Währungsfonds halte, so stimme ich an einem Punkt Christine Lagarde zu: Griechenland wird nur aus diesem Kreditwahnsinn heraus kommen, wenn das Land einen sehr deutlichen Schuldenschnitt bekommt.

Freitag, 28. August 2015

Das Rechnet sich!

oder: Warum Flüchtlinge so wertvoll sind.

Nehmen sie wirklich Arbeitsplätze weg? Schaden sie tatsächlich der deutschen Wirtschaft? Und stimmt das wirklich dass sie so viel Geld vom Staat bekommen?
Dazu gibt es interessante Zahlen, die wir als deutsche Bundesbürger genau lesen sollten. Elf Zahlen, elf Antworten:

6.500.000
Menschen - so viele Arbeitskräfte fehlen der deutschen Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren, wenn es keine Zuwanderung gäbe. Deutschland (über-)altert, die Zahl der Erwerbsfähigen sinkt dramatisch. Betriebe hätten kaum noch Auswahl bei Bewerbern, oft sogar gar keine. Die Produktivität in den Unternehmen würde sinken, damit auch das Wirtschaftswachstum.  (laut Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung)

37.101
So viele Ausbildungsstellen konnten letztes Jahr nicht besetzt werden. Da wundert es nicht, dass hochrangige Wirtschaftsvertreter fordern, dass der Zugang zur Berufsausbildung für Flüchtlinge erleichtert wird.

86,7

Prozent der aus Syrien nach Deutschland geflohenen Menschen haben hier Asyl erhalten. Da dort unzweifelhaft ein grauenhafter Bürgerkrieg wütet, kann bei syrischen Flüchtlingen ein vereinfachtes Asylverfahren durchgeführt werden. Fast alles Syrer haben eine sehr gute Schulbildung, viele ein abgeschlossenes Universitätsstudium und finden dann schnell einen Arbeitsplatz.

0,9

Prozent der Flüchtlinge haben einen Vollzeitjob, 1,5 Prozent einen Teilzeitjob (laut Bundesamt für Statistik, 2013). Das nur so wenige arbeiten, liegt fast ausschließlich an den sehr hohen Hürden. Bis Flüchtlinge eine Arbeit annehmen dürfen, ist ein endlos langer Weg. So lange das Asylverfahren läuft oder Flüchtlinge nur geduldet sind, dürfen sie keine Arbeit annehmen. Nur wenn die örtliche Arbeitsagentur und die Ausländerbehörde zustimmen, dürfen sie frühestens nach drei Monaten sie auf Arbeitssuche gehen. Nur wenn kein Deutscher oder kein EU Bürger für die Stelle in Frage kommt (prüft die Agentur für Arbeit), bekommt ein Flüchtling die Stelle. Bedeutet aber auch: kein Asylbewerber kann einem Deutschen den Arbeitsplatz wegnehmen, dass ist nichts als ein Stammtischgerücht.

2.000.000.000
Euro. Das ist die Summe der Beiträge, die alle in Deutschland lebenden Ausländer (also alle Menschen ohne deutschen Pass) innerhalb eines Jahres in die deutschen Sozialkassen eingezahlt haben. Das hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung vor kurzem berechnet. Danach zahlte jeder dieser Menschen durchschnittlich 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an Leistungen vom Staat erhalten hat.
Dazu eine kleine Hochrechnung: wenn zukünftig pro Jahr mindestens 20.000 Menschen nach Deutschland zuwandern, 30 Prozent davon hoch- und 50 Prozent mittelqualifiziert sind, würde das den deutschen Steuerzahler um mehr als 400 Euro pro Jahr entlasten.

5,3
Monate dauert durchschnittlich ein Asylverfahren. Die deutschen Behörden haben also das Verfahren um ca. 2 Monate beschleunigt. Die zusätzlich geschaffenen neuen Stellen beim Bundesamt für Migration haben also geholfen, reichen aber nicht aus, denn die Zahl der bis Jahresende nicht bearbeitet Anträge wird sich bis Ende 2015 nach sechs Jahren fast verzehnfachen. Gegen Ende 2014 waren es noch 170.000 Anträge, allein im ersten Halbjahr 2015 gingen mehr als 230.000 Anträge ein.

1.491.289.000

Euro haben die Bundesländer 2013 für Leistungen an Asylberwerber ausgegeben. Den größten Anteil daran hatte Nordrhein-Westfalen, dann folgte Bayern. Als Vergleich: Zu Beginn der 90er Jahre kamen sehr viele Flüchtlinge vom Balkan hierher. Damals wurden mehr als 2,8 Milliarden Euro für die Flüchtlinge ausgegeben, also mehr als doppelt so viel.
Selbst wenn die Asylbewerberzahlen (und damit auch die Ausgaben) sich dieses Jahr verdoppeln sollten, muss man die Ausgaben mal mit anderen Bereichen des Bundeshaushalts vergleichen: die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") kostet unseren Staat zum Beispiel mehr als zwölfmal (!) soviel.

140
Euro Taschengeld bekommt ein Asylbewerber monatlich. Das sind 4,66 Euro am Tag. Essen, Kleidung und Hygieneartikel werden durch Erstaufnahme- oder Gemeinschaftsunterkünfte gestellt. Alles andere muss von den 4,66 Euro selbst bezahlt werden. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre bekommen zwischen 82 und 90 Euro, also zwischen 2,73 und 3,00 Euro täglich.
Flüchtlinge, die nicht in einem Heim wohnen, bekommen ein wenig mehr: Erwachsene 212 Euro monatlich (= 7,06 Euro täglich) für alle unter 18 sind es zwischen 130 und 194 Euro monatlich (= 4,66 bis 6,46 Euro täglich). Das muss dann allerdings auch für alle Ausgaben reichen. Essen, Kleidung, Waschpulver, Duschgel, Kochtöpfe, Bettlaken usw. müssen davon bezahlt werden.

1

Woche wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im August Anzeigen u.a. auf Facebook geschaltet, die die Flüchtlinge aus den Ländern im Westbalkan abzuschrecken. Besonders für Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonia, Montenegro und Serbien wurde angezeigt, dass es für Flüchtlinge von dort praktisch keine Aussicht auf Asyl in Deutschland besteht. Die Ablehnungsquote liegt da bei 99%.

40,2
Prozent der Asylbewerber klagen gegen Entscheidungen zu ihrem Asylgesuch. Besonders häufig klagen Menschen aus dem Kosovo, Mazedonien und Somalia.


Fazit:
Unter dem Strich können wir also eingentlich froh sein, dass so viele Menschen aus den Krisengebieten auf der Welt nach Deutschland kommen wollen. Letzten Endes tragen sie deutlich mehr zum gesamt-gesellschaftlichen Wohlstand bei als sie uns kosten. Sie sind auch Teil der deutschen Wirtschaftserfolgsgeschichte, denn ohne die vielen hier arbeitenden Ausländer wäre die Produktivität der deutschen Wirtschaft längst stark zurück gegangen. Deshalb sind Hilfen für Flüchtlinge nicht nur aus humanitären Gründen wichtig, sie sind auch sinnvolle, geldwerte Investitionen.

Mittwoch, 26. August 2015

Gestern Lampedusa, heute Kos

Alle Staaten der EU stehen in der Pflicht!

Wer jetzt immer noch glaubt, dass sich die Flüchtlingskrise (viele sehen gar eine Völkerwanderung) sich nach wie vor mit Nationalstaatlichen Mitteln lösen lässt, ist auf dem Holzweg. Das Ausmaß dieser Flüchtlingswelle überfordert letzten Endes den einzelnen Staat.
Bilder gestrandeter Flüchtlinge und hilfloser Inselbewohner, egal ob Lampedusa oder aktuell Kos, zeigen das überdeutlich. Europa muss endlich als Ganzes die Aufnahme der Flüchtlinge in Angriff nehmen. Die Aufnahme von Zehntausenden, die über das Mittelmeer flüchten darf nicht länger einzelnen Regierungen oder gar Bürgermeistern überlassen werden.

Das ist ungerecht, schändlich und dumm.
Ungerecht, weil aktuell nur fünf EU Staaten, ohne etwas dafür zu können, Ziel des gesamten Flüchtlingsstrom sind. Diese riesige Zahl von Verfolgten und Hungernden muss auf alle EU Staaten verteilt werden, wenn dieses Europa seinen eigenen sozialen und ethischen Standards Leben einhauchen will.
Schändlich ist, dass die aktuellen Bilder und Filmberichte von einer grausamen Notlage zeugen, denen aber nicht angemessen geholfen wird. Abertausende Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche, die in Europa wochenkang in brütender Hitze in provisorischen Zelten oder unter Bäumen leben und auf Almosen angewiesen sind, denen es an Wasser und Nahrung fehlt und denen keinerlei santitäre Anlagen zur Verfügung stehen. Das ist auf keinen Fall entschuldbar, es ist eine Schande.
Dumm ist, weil in den alleingelassenen, aufnehmenden Ländern die Stimmung umkippen kann. Das nutzt in Italien der "Lega Nord", in Griechenland der "Goldenen Morgenröte" oder in Deutschland der "NPD". Kurz gesagt, den rechten Rassisten. Und Länder, die sich jetzt der Hilfeleistung verweigern, wie z.B. Großbritannien - Stichwort Ärmelkanal, vergessen, dass sie schon bald selbst Hilfe brauchen können.

Ganz schlimm ist aber, dass dieser Notfall nicht plötzlich vom Himmel gefallen ist. Experten haben seit Monaten, teils Jahren vor dem massenhaften Ansturm von Flüchtlingen gewarnt. Deshalb steht ganz Europa in der Verantwortung - und zwar sofort. Es reicht aber nicht, mal eben ein paar Millionen nach Rom oder Athen zu überweisen und die dortigen Regierungen dann abarbeiten zu lassen.
Hier geht es um sofortige Nothilfe, wie nach einem Erdbeben, wo die internationale Solidarität immer wieder beeindruckend groß ist. Warum denn bitte nicht bei dieser Flüchtlingskatastrophe? Waru gibt es keine schnelle Eingreiftruppe, die den überforderten Ländern und Gemeinden mit Technikern, Ärzten, erfahrenen Krisen-KoordinatorInnen und Lebensmitteln hilft? Nur weil alle fürchten, mit echter Hilfe noch mehr Menschen zur Flucht zu motivieren? Wenn so ein Kalkül dahnter steckt, ist das mehr als zynisch. Sicher kann man in der EU über langfristige Antworten auf diese Flüchtlingskrise oder unterschiedliche Aufnahmekapazitäten diskutieren.
Doch das gibt uns allen nicht das Recht, diesen Menschen in Not die Hilfe zu verweigern.